Selbstverständlich positiv – meine „Positive Stimme“

Januar 27, 2012

Für mich gilt es auch, dieses “positiv – na und?”. Es ist offenbar für viele HIV-Negative wie auch HIV-Positive verstörend, das wahrzunehmen. Aber wenn HIV doch nun einmal seit 22 Jahren meine Realität ist – dann ist das selbstverständlich so.

“Selbstverständlich positiv” ist für mich gleichbedeutend mit “positiv – na und?”

HIV als für mich selbstverständlich zu bezeichnen drückt aus, dass ich meine Realität anerkenne, und mein Bewußtsein meiner Würde und meines Selbstrespektes davon nicht verletzt und beeinträchtigt wird.

In diesem Sinne bin ich “poz&proud”, wie die niederländische Kampagne schwuler HIV-Positiver Männer heisst. Interessant ist, dass in der niederländischen Sprache das Wort “Trotz” dem deutschen “Stolz” entspricht. Stolz auf sein Leben, als schwuler Mann und auch mit oder trotz oder durch HIV zu sein, ist für Massen und Medien immer noch verstörend. Na und? Sie werden es lernen – oder auch eben nicht, was schert es mich!

“Positiv – na und?” drückt für mich Stolz aus, das Leben mit HIV offensiv zu leben und gelebt zu haben – und die gesellschaftliche Erwartung, doch Scham empfinden zu sollen – entschieden und selbstbewusst zurückzuweisen.

Meine Zeit der Selbststigmatisierung, die gab es, die ist aber eindeutig Vergangenheit. Das Bewusstsein und Wissen, bei wirksamer Therapie nicht mehr infektiös zu sein, ausgelöst durch die EKAF Stellungnahme vom 30.01.2008, hat sehr wesentlich dazu beigetragen.

Ich begrüße es sehr, dass Menschen mit HIV über die Deutsche AIDS-Hilfe mit dem Projekt „Positive Stimmen“ ihr Lebensgefühl und ihre Erfahrungen mit Diskriminierung und Stigmatisierung beschreiben. Raus aus der Vereinzelung mit diesen Erlebnissen, rein in das Gemeinschaftserleben, dass hier etwas gesellschaftlich passiert, was ungerecht und unangemessen ist.

Die Mitteilung des eigenen HIV-positiv-sein soll von niemandem mehr als „Geständnis“ erlebt werden. Was gibt es da zu gestehen? Dass man Sex hatte? Das man nicht alles unter Kontrolle hatte? Ich habe kein Unrecht begangen, als ich mich mit HIV angesteckt habe – ich habe gelebt und wollte das Beste für mich. Was daran soll ein Geständnis sein? Dieses im Zusammenhang mit einem HIV-Outing von HIV-Positiven oder auch Journalisten verwendete Wort „Geständnis“ stört mich sehr, denn in der offenbarten Angst der Anderen im Umgang mit HIV gestehen diese ihr Unwissen, ihre Dummheit und ihre Vorurteile. Das Leben mit HIV ist heute anders, als allgemein bekannt ist.

Ich habe viel gelernt – und das war ein spannender Prozess, über dessen Ergebnis ich im guten Sinne gelassen stolz bin.

“positiv – na und?” Ach lass uns doch über was Interessanteres als Selbstverständlichkeiten reden… :-)


„Ich hatte AIDS“ – Von AIDS kann man auch wieder gesund werden

November 23, 2011

Die Bezeichnung AIDS ist eine medizinische Definition für das Vollbild der fortgeschrittenen HIV-Infektion. In den 80er Jahren bedeutete „Vollbild AIDS“ eine sehr kurze Lebenserwartung von nur etwas mehr als einem Jahr.

Heute, 30 Jahre später, kann man vom Vollbild AIDS auch wieder weitgehend gesund – und mit HIV alt werden.

Zu spät mit HIV diagnostiziert, sterben auch heute noch Menschen an AIDS und im Vollbild AIDS. Das wäre vermeidbar, würde die HIV-Infektion früher erkannt– und mit den HIV-Medikamenten behandelt. Bei manchen wird die HIV-Infektion aber erst so spät festgestellt, dass es für die HIV-Medikamente zu spät ist – die Medikamente können nicht mehr ihre heilsame Wirkung entfalten und die Menschen sterben.

Andere haben Glück: Trotz später Diagnose bei lebensbedrohlicher Erkrankung an AIDS überleben sie die akute Krise, und durch die Wirkung der HIV-Medikamente erholt sich das Immunsystem. Der von Krankheit zu Tode geschwächte Körper regeneriert sich, verlorenes Körpergewicht baut sich wieder auf, und auch die Kräfte kommen wieder zurück.

Ernst, einer der Botschafter der Welt-AIDS-TAgs-Kampagne 2011, formuliert es so : „Der HIV-Test hat mein Leben gerettet.“

Mehrfach habe ich Menschen wie Ernst in der Begleitung und Beratung von HIV-Positiven erlebt, Menschen, die bis  auf die Knochen abgemagert und mit dem Tod ringend das Vollbild AIDS überlebten – und 12 Monate später wieder ihrer gewohnten Vollzeitarbeit nachgehen konnten. Es grenzt an ein Wunder. Sie sind nur einfach glücklich und  erleben es so: „Ich bin von AIDS gesund geworden. Ich hatte AIDS – aber ich hab’s überlebt – und  jetzt bin ich nur noch HIV-positiv.“

Trotz immer effektiver wirkender Medikamente gelingt diese Erholung aber nicht bei jedem. Bei einigen im Vollbild AIDS Erkrankten bleiben starke gesundheitliche Beeinträchtigungen zurück, die Regeneration bleibt sowohl im Immunsystem als auch in der körperlichen Leistungsfähigkeit unvollständig. Bei einigen ist eine Rückkehr ins Erwerbsleben deshalb nicht mehr möglich. Manche Körper erholen sich von einer AIDS-Vollbild-Erkrankung erstaunlich schnell – andere nur sehr langsam. Individuell ist es sehr unterschiedlich.

Erlebt man selber das Vollbild AIDS bei sehr später Diagnosestellung, kann niemand vorhersagen, wie weit und wie gut die Regeneration gelingen wird. Aber es gibt Grund, Hoffnung zu haben, dass eine alte Fitness wiedererlangt werden kann.

Denn viele haben AIDS überlebt, auch wenn die Medizin diesen Sprachgebrauch nicht gelten lassen will. Das Leben findet nicht in Schubladen statt. Es liegt an uns, was wir draus machen und auf welchen Erfahrungen wir unser Identitätserleben aufbauen. Und für manche ist es einfach so: Sie hatten Aids und sind von Aids wieder gesund geworden, sind nur noch HIV-positiv. Sie hatten AIDS und haben es eben nicht mehr. So einfach ist das.

Sie zu etikettieren mit einem „Das darfst Du so nicht sagen, das stimmt doch nicht“, ist unmenschlich und unwürdig. Jeder Mensch hat das Recht, Glück und Freude zu erleben, auszudrücken und dies auch anderen mitzuteilen.

Das Leben mit HIV hat sich sehr verändert und oft dramatisch verbessert. Auch unser Sprachgebrauch muss sich diesen Veränderungen jetzt anpassen.

Be smart about HIV! Get tested! Today, there are treatment options!


Respekt für den 21-jährigen HIV-positiven Marcel

Dezember 1, 2010

Seit bald einem Jahr kenne ich Marcel, der sich im Alter von 20 Jahren mit HIV infizierte und sich wenige Monate später im November 2009 mit HIV outete. Marcel zeigt, dass man mit HIV auch offen und ohne sich zu verstecken leben kann.

Diesen Blogbeitrag zu meinen 21. Welt-AIDS-Tag in diesem Jahr 2010 – wo sich u.a. meine eigene HIV-Diagnose zum 20. Mal jährte – widme ich Marcel stellvertretend für alle jungen HIV-Positiven – und poste dieses dbna-Videointerview mit Marcel.

Für dbna hat Marcel jetzt ein Interview gegeben, in dem er unter anderem gefragt wird:

Was hat dich dazu bewogen, dein Blog zu starten?

Marcel: Ich habe selbst im Internet nach Informationen zum Thema gesucht. Da stößt man dann beispielsweise auf die Seiten der Deutschen Aidshilfe. Das ist aber alles sehr theoretisch. Dann gibt es ein, zwei Blogs von Betroffenen, die sind aber schon über 40 Jahre alt. Ich finde es gut, dass sie das machen. Aber ich kann mich selbst damit nicht identifizieren. Ich hab nie was von oder über junge Leute gefunden. Das wollte ich ändern. Ich merke natürlich, dass ganz viele junge Leute über YouTube oder das Blog auf mich stoßen und sich dafür interessieren. Das wäre vielleicht nicht der Fall, wenn es niemanden wie mich geben würde.

Respekt und Kompliment für Marcel.

Viel Glück mit allem, was Du tust!


Mein Leben mit HIV ist ein Schatz an Erfahrungen

Juni 28, 2010

Älterwerden mit HIV als schwuler Mann: Mit diesem Thema beschäftigt sich Michael Jähme von der AIDS-Hilfe Wuppertal seit längerer Zeit. In Fresh spricht er über seine persönlichen Erfahrungen.

Warum treibt Dich dieses Thema so an?

Ich bin jetzt 51 Jahre alt. So alt zu werden hatte ich mir nie vorstellen können. Lange ging es darum, einem überlebten Jahr ein weiteres überlebtes Jahr hinzuzufügen. Aber inzwischen bieten die wirksamen Therapien große Sicherheit. Einfach nur zu überleben, reicht mir als Lebenssinn nicht mehr. Erst seit wenigen Jahren, wo die Angst, bald krank zu werden, ganz verschwunden ist, kann ich erstaunt Rückschau halten und anfangen zu verstehen, was ich da eigentlich überlebt habe, was alles passiert ist und was diese Erfahrungen und Erlebnisse mit mir gemacht haben. Schließlich habe ich meine Diagnose zu einer Zeit bekommen, als die AIDS-Hysterie sehr bedrohlich war. Ich möchte verstehen, was in diesen Jahren passiert ist und möchte meinen Erlebnissen Bedeutung geben. Für mich ist das nötig, um nicht nur körperlich, sondern auch psychisch gesund alt zu werden mit HIV.

1990 hast Du Deine Diagnose bekommen, Du lebst also bereits 20 Jahre mit HIV. Gibt es nach wie vor staunende Blicke, wenn Du Dich als Langzeitpositiver zu erkennen gibst?

Ja, das ist so. Besonders bei TeilnehmerInnen von Fortbildungsveranstaltungen für Krankenpflege und Altenpflege erlebe ich ein Erstaunen, dass man inzwischen mit HIV alt werden kann. Dann ist das Interesse sehr groß, mehr über die medizinischen Therapiefortschritte zu hören. Und auch dass eine wirksame Therapie zur Folge hat, quasi nicht mehr infektiös zu sein, überrascht viele. Viele sagen dann: Das muss mehr bekannt gemacht werden!

In Gesprächen mit schwulen Männern die heute so um die 40-50 Jahre alt sind, hast Du viele „HIV-typische Spuren“ in deren Biographien registriert, die auch seelische Narben hinterlassen haben. Was sind Deine Traumata und Narben?

Es ist einfach ein Trauma, jahrelang die Unsicherheit aushalten zu müssen: Wie lange überlebe ich? Wie lange geht es gut? Wie lange bleibe ich gesund? Bei aller Emanzipation und allem Lebenswillen war diese Angst vor dem Tod doch knallharte Realität. Die jahrelange Todesbedrohung durch HIV hat chronisch am Selbstwertgefühl genagt. Es ist so unfassbar, dass wir das überlebt haben und heute die Zeit wirksamer Therapien erleben! Mich schmerzt der Tod von Freunden, die mir heute als Weggefährten im Älter-Werden fehlen. Und für die Gesellschaft waren wir HIV-Positiven bestenfalls geduldet, nie voll akzeptiert. Die bis heute andauernden Schuldzuweisungen und Stigmatisierungen von Menschen mit HIV sind ungeheuerlich und empörend. Dazu kommt noch die immer latent vorhandene Homophobie in der Gesellschaft. Es ist einfach anstrengend, über Jahre hinweg dem allen Widerstand zu leisten und sich zu behaupten. Es empört mich, dass die Lebensleistung meiner Generation schwuler Männer nicht breit gesellschaftlich gesehen, gewürdigt und anerkannt wird!

Beim Umgang mit den belastenden Erlebnissen entwickelt jeder seine individuelle Strategie. Welchen Weg der Verarbeitung bist Du gegangen?


Mein Weg ist es, über das zu reflektieren, was mein Leben beeinflusst hat und was mich geprägt hat. Es ist eine schmerzhafte Wahrheit, dass HIV so viel Traurigkeit und Angst ins Leben gebracht hat. Es braucht Zeit, sich dessen bewußt zu werden. Und Mut. Seit längerer Zeit mache ich eine Psychoanalyse, in der ich das alles nach und nach entdecke und wo ich Unterstützung erlebe und Raum bekomme, dies entdecken zu können. Zum psychisch gesund alt werden mit HIV gehört für mich, all diese schrecklichen, schmerzhaften und kränkenden Erlebnisse beim Namen zu nennen und von meinem Gegenüber Verständnis und ein offenes interessiertes Ohr zu erfahren. Wir müssen über die wirklich wichtigen Dinge in unserem Leben reden. Dann versteinern wir nicht in unseren Traumata und Schmerzen, sondern öffnen uns großer Lebendigkeit, Lebensfreude und Lebenskraft.

Du forderst: Schwule Senioren, mit HIV und ohne HIV, sollen als Zeitzeugen angesehen und anerkannt werden und sich auch selber als solche begreifen. Was konkret ist dafür von wem zu tun?


Die Schuldzuweisungen müssen aufhören, die Stigmatisierung und Diskriminierung muss aufhören! Wertschätzung und Würdigung ist Voraussetzung dafür, dass Menschen, die wie ich nun schon Jahrzehnte mit HIV leben, einen offenen Raum vorfinden, um von ihren Erlebnissen erzählen zu können, wenn sie es denn wollen. Das ist eine Forderung an die Gesellschaft. Dann gibt es etwas, was jeder Einzelne tun kann: Wir Zeitzeugen haben etwas erlebt, was lohnt, im gesellschaftlichen Gedächtnis zu erhalten. Unsere Erfahrungen sind ein Schatz. Wir Langzeitpositiven und schwulen Senioren müssen uns dessen bewußt werden. Aus Bewußtsein kann Selbstbewußtsein entstehen. Und dann wären wir auch eher bereit, als Zeitzeugen sichtbarer werden. Vielleicht wäre es für manchen auch immer noch ein Outing mit HIV, für das man Mut braucht. Von uns muss die Bereitschaft kommen und von außen muss das Interesse kommen.

Dieses Interview mit Michael Jähme führte Christian Scheuß für das Magazin FRESH. Es wurde veröffentlicht in der Ausgabe Juli 2010. Hier als Blogbeitrag die ungekürzte Fassung.

Siehe auch: Langzeitpositive und schwule Senioren sind Zeitzeugen vom Leben mit HIV


Plädoyer für eine Kultur wahrhaft humaner Solidarität mit HIV-Positiven

April 28, 2010

Kürzlich war ich auf einer Familienfeier. Die Tochter meiner Nichte wurde getauft und dies war für mich ein Anlass, nach einem größeren Zeitabstand wieder an einem Familientreffen teilzunehmen. Nach dem Tod beider Eltern gibt es weniger Anlässe, zu denen ich mit meiner Familie zusammentreffe, die nun aus Geschwistern, Nichten und Neffen und deren PartnerInnen und Kindern besteht.

Wenige Tage zuvor hatte ich den 20. Jahrestag meiner HV-Diagnose erlebt. So unerwartet lange mit HIV zu leben, das ist für mich nichts Normales. Es ist etwas, über das ich reden möchte und auch reden muss, weil es eine so große Bedeutung in meinem Leben hat.

Mein Schwul-Sein und auch meine HIV-Infektion sind in der Familie seit langem bekannt. Und mit beidem gehöre ich dazu wie jeder andere auch. Ich bin integriert und viele würden nun sagen: „Das ist doch prima, freu dich darüber! Was willst Du denn noch mehr?“

Natürlich freue ich mich über die Selbstverständlichkeit. Aber diese Normalität reicht nicht.

Je älter ich werde, desto klarer erkenne ich, wie belastend es war, mit dem drohenden Tod leben zu müssen und wie schmerzhaft es war und ist, mich immer wieder neu gegen gesellschaftliche Verurteilungen, Abwertungen, Stigmatisierungen behaupten und wehren zu müssen. Nach meiner HIV-Diagnose habe ich mich entschieden,  mit HIV offensiv und öffentlich zu werden und zu sein. Das macht mich einerseits verletzbarer, weil man sich exponiert, aber psychisch macht es mich stärker, weil alles, was passiert, nicht nur von mir bewusster wahrgenommen und reflektiert wird, sondern auch meine Umwelt zu einem bewussteren Umgang mit HIV auffordert. Es war und ist eine sinnvolle Win-Win-Situation.

Heute, im Jahr 2010 ist es das öffentlich sein im Älter-Werden mit HIV und seinen besonderen Implikationen, für das ich mich immer wieder neu entscheide. Ältere Langzeitpositive haben noch längst nicht ihre besondere Lebenssituation und Lebensdynamik erkannt. Wir sind erst gerade am Anfang, dies herauszufiltern und zu benennen. Und auch die Gesellschaft muss noch lernen, einen Umgang mit dieser/meiner HIV-Generation zu finden.

Es ist erstaunlich, dass ich auf der Familienfeier keine erkennbaren Resonanzen wahrnehmen konnte, als ich meinen 20. Jahrestag der HIV-Diagnose ansprach. Kein: „Ja, das ist wirklich schön! Das ist wirklich ein Glück!“ Und so gab es auch keinen Anknüpfungspunkt, gemeinsam zu erinnern, was sich in diesen 20 Jahren alles an Glück und Leid, Krisen und Siegen ereignet hat. Im familiär-privaten wie im gesellschaftlich-allgemeinen.

Es ist mit Sicherheit nicht nur die Gesprächskultur in meiner Familie, die Gespräche über Dinge, die einen persönlich sehr bewegen, nur schwierig entstehen lässt. Wäre dieses aktuelle persönliche Erlebnis nun ein Spiegel für den Umgang der Gesellschaft mit dem Älter-Werden von Menschen mit HIV, würde es bedeuten, dass es nicht reicht, Menschen mit HIV äußerlich zu integrieren.

Die wahre Integration ist erst dann gegeben, wenn man sich gleichberechtigt öffnet für das persönliche Erleben und auch die persönlichen Bedürfnisse des Gegenübers.

Statt einer formalen „Satt und Sauber-Solidarität“ braucht es eine Kultur wahrhaft humaner Solidarität.

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Blogbeitrag zum gleichen Themenfeld: „Langzeitpositive und schwule Senioren sind Zeitzeugen vom Leben mit HIV


Ich will HIV nicht zum Tabuthema machen… (akt.)

Dezember 26, 2009

… schreibt Marcel, ein 20-jähriger Mann mit HIV in seinem im November 2009 gestarteten Blog. Hier sein Statement in seinem youtube- Video.

Er hat gute Gründe, warum er über sein Leben mit HIV blogt:

… und auch, weil viele nicht so offen wie ich über HIV sprechen würden, fragen mich die Leute immer wieder, warum ich über HIV blogge oder warum ich im normalem Leben so offen damit umgehe… Die Antwort ist nicht ganz leicht, weil dieses „Outing“ auch mit vielen negativen Dingen verbunden ist, wo man bereit sein muss, diese anzunehmen… auf der anderen Seite gibt es einige Gründe dafür:

1. Ich will das ganze nicht zum Tabuthema machen! Grade so ein Thema wie HIV kommt am Ende doch irgendwann bei jedem an und dann tuscheln die Leute… wenn man aber offen damit umgeht, dann kommen sie eher auf einen zu und stellen Fragen! Und Fragen sind natürlich gut… sie bauen Ängste ab und klären gleichzeitig auf.

2. Kann man eine Art Vorbildfunktion sein, denn es gibt nur sehr wenige junge Menschen die offen darüber reden, dass sie mit HIV infiziert sind! Es ist schwer in jungen Jahren zu begreifen, dass Menschen einfach so wegsterben können, das Leid einfach über jemanden hinein brechen kann! Und es ist schwer mit einem Todesvirus zu leben, obwohl man noch viel vor hat und viel erleben will. Deswegen soll das offene sprechen über HIV zeigen, dass die Hoffnung nicht sterben darf und nicht sterben muss!

3. Es gibt viele Menschen die nach der Diagnose aufgeben, die keine Therapie machen, weil sie keinen Sinn mehr darin sehen zu leben! Das soll all denen die still stehen und auf den Tod warten Hoffnung geben!!!

Ich habe keine Lust mich zu verstecken, sehe keinen Sinn darin mich zu verstecken, muss mich nicht verstecken und werde mich nicht verstecken! Egal ob die Menschen, die von meiner Infektion erfahren denken sie wüssten damit alles über mich! Sie denken sie könnten sich ein Urteil bilden und sie denken ich habe etwas unmoralisches getan und mich dadurch angsteckt! Sie behaupten ich hatte oft wechselnde Sexualpartner und mit jedem Sex ohne Gummi und bräuchte mich dann ja nicht über diese Diagnose wundern!!!
Aber das lustigste daran ist: Sie haben keinen blassen Schimmer! Sie denken nicht darüber nach, dass es sein kann, dass man nur einmal an eine falsche Person geraten muss und schon hat man ein Accessoir für das ganze Leben… den HI-Virus! Das hat nichts mit einem unmoralischem Lebensstil zu tun, sondern manchmal einfach mit Pech! Mehr nicht! Und es kann jeden treffen! HIV macht keinen Halt vor einer Hautfarbe, einem Geschlecht, einem bestimmtem Alter, einer sexuellen Orientierung, einer Religion, einem Glauben, der finanziellen Stellung oder einer Nationalität… HIV ist überall… Daher sollte niemand den Mund zu voll nehmen, denn Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall!

Generell gilt mein Motto „Selbstbewusstsein ist das beste Accessoir“ wenn man sich outet! Egal ob es sich um HIV, eine andere Krankheit oder sonstwas handelt! Erst wenn man sich selber akzeptiert, sollte man diesen Schritt gehen, denn erst dann ist man dem Druck gewachsen, der auf einen zukommen kann und erst dann können auch andere einen selber akzeptieren… Ein Outing sollte immer gut durchdacht sein! Was passiert, wenn? Es können so viele Sachen dadurch passieren oder so viele Situationen auf einen zukommen, mit denen man vorher nicht rechnet!

Wer das eigene Denken aufgibt, mit dem ist es aus! Wer sich nicht traut, mit dem ist es aus! Wer die Kraft in sich nicht erweckt, mit dem ist es aus!

Hier der link zu Marcels Blog.


Realitätsabgleich: HIV-Alltag mit mehr Normalität

Dezember 20, 2009

Gegen den Strich gebürstet und erfrischend quergedacht liest sich Stefan Jäkel in dem Interview, dass er für die Sonderbeilage des Magazins „Siegessäule“ zum Welt-AIDS-Tag 2009 gab.

Hier eine kleine Passage:

SIS: Fehlen uns „positive“ Vorbilder?

Ja, Leute, die deutlich machen, dass ein normales Leben mit HIV möglich ist. Dabei geht es nicht nur um Promis, sondern um Sichtbarkeit in Freundeskreisen, Vereinen, Arbeitsverhältnissen.
Ich kann jeden verstehen, der für sich entscheidet, sich in bestimmten Situationen nicht zu outen. Und das Erwerbsleben ist mitunter ein sehr sensibler Bereich. Aber jemanden generell davon abzuraten, dann bringt man ihn/sie vielleicht auch um eine Chance für einen offenes und selbstverständliches Leben mit HIV. Auch hier präferiere ich die individuelle Lösung. Für gesellschaftliche Veränderungen braucht es allerdings mehr Leute, die sichtbar sind. Denn Veränderungen passieren durch persönliche Bezüge, Geschichten und Bilder. Individuell kann jeder schauen, ob mit einem HIV-positiven Coming-Out nicht auch ein Benefit verbunden wäre: weniger Stress, Anerkennung erfahren. Die Krankheitsbewältigung kann auch als Ressource für sich und für andere verstanden werden. Offen lebende HIV-Positive können manchmal ein großes Potenzial an sozialer Kompetenz mitbringen.

Das vollständige Interview mit Stefan Jäkel ist nur online zu lesen.

Die Redaktion der Siegessäule meint:

… Ein offener Umgang mit der Krankheit ist selbst in Berlin oft keine so einfache Sache. Umso mutiger ist es, dass sich zehn Berliner bereit erklärt haben, uns von ihrem Leben mit HIV zu erzählen.
Die Onlineredaktion der Siegessäule hat ein umfangreiches Dossier zum Weltaidstag 2009 erstellt. Auf den folgenden Seiten stehen die kompletten Interviews bzw. Porträts der offen HIV-Positiven, Meinungen von Expertinnen und Experten sowie eine Auswahl an Veranstaltungen.

Dossier, die Interviews und das download der Printbeilage finden sich hier.


Trümmerfeld, Schuttberge und Steinigungen – Nachdenkliches an der Unglücksstelle des Kölner Stadtarchivs

März 7, 2009

Nach außen wirkt alles recht ruhig in der Südstadt an diesem Samstagnachmittag gegen 16 Uhr. Die Sonne scheint ein wenig, aber es ist kalt. Weiträumig ist die Unglücksstelle von der Polizei abgesperrt, einige Anwohner passieren die Absperrungen und gehen ihrem Alltag nach. Das Leben muss schließlich weitergehen.

Eine überschaubare Anzahl von Menschen möchte wie ich einen eigenen Eindruck von der Unglücksstelle bekommen. An keiner Stelle kommt es zu Behinderungen von Polizei, Feuerwehr und Bauarbeitern. Die Ruhe und erforderliche gelassene Routine stehen scheinbar im Widerspruch zu der emotionalen Tragödie für Menschen und Kulturgut, die sich 100 Meter weiter ereignet hat.

Von der südlichen Absperrung aus sehe durch die Straßenschlucht der Severinsstraße und erkenne den Schuttberg des eingestürzten Stadtarchivs. Dahinter das Haus mit den aufgerissenen Wohnungen und freiliegenden Zimmerwänden. Was an Rettungs- und Bergungsaktivitäten läuft, bleibt meinem Blick verborgen.

Aber in meinem Bewusstsein ist mir klar, dass dort, wenige Meter weiter, viele Menschen nach den beiden Vermissten suchen. Ich denke daran, dass dort diese zwei Menschen unter den Trümmern verschüttet sind, dass es ein Wunder wäre, sie noch lebend zu bergen. Nachdenklich und bedrückt bleibe ich einige Minuten an diesem Ort, den Blick immer auf den Trümmerhaufen gerichtet. Einer Frau neben mit geht es ähnlich. Jeder von uns ist still und in Gedanken versunken.

In die Südstadt bin ich gefahren, nachdem ich an der Kundgebung „Frauenrechte statt Scharia! Aufklären statt verschleiern!“ des „Zentralrats der Ex-Muslime“, dem „Verein für Aufklärung und Freiheit“ und des „Internationalen Komitees gegen Steinigung und Todesstrafe“ zum Internationalen Frauentag auf dem Wallraffplatz teilgenommen habe. Die Kernkritik der Veranstalter richtet sich gegen Menschenrechtsverletzungen, welche zunehmend durch das Vorrücken der patriarchalischen Herrschaftskultur des politischen Islams in Deutschland und Europa verursacht werden.

Kundgebung zum  Intern. Frauentag, Wallraffplatz, Köln

Kundgebung zum Intern. Frauentag, Wallraffplatz, Köln

„Steinigung“, dieses Wort komm mir nun auch angesichts des Kölner Trümmerberges in den Sinn, in dem zwei Menschen verschüttet sind. Grausam dieses Unglück, grausam dieser fanatische Umgang einer islamistischen theokratischen Herrscherelite in einigen islamischen Ländern gegenüber Menschen, die sich von den unmenschlichen Regeln und Vorschriften dieser menschenverachtenden Kultur lösen und anders leben wollen. Steinigungen als Strafe zur Wiederherstellung einer fragwürdigen Ehre geschehen auch heute noch gegenüber Frauen, auch gegenüber Lesben und Schwulen, z.B. im Iran und Irak. Auch das macht mich sehr betroffen.

Und gerade eben ruft ein Freund aus den Niederlanden an, der bei „Poz and Proud“ mitmacht, der Selbsthilfe schwuler Männer mit HIV, und meinen Gastbeitrag über „Das P von Proud“ für deren Blog übersetzt und eine Rückfrage hat. Ich lese mir dazu meinen Text noch einmal durch und stolpere über das Wort „Trümmerfeld“, mit dem ich meine Gefühlslage nach der Mitteilung meiner HIV-Diagnose 1990 beschreibe. Meinen Gastbeitrag hatte ich schon am 28.Februar geschrieben, also VOR dem Unglück in Köln, und jetzt rührt das Trümmerfeld des versunkenen Stadtarchivs hier vor mir auch an meine Lebensstimmung von damals.

Schutthaufen, Steinigungen und ein Trümmerfeld –  so viele Anknüpfungen an Themen und Ereignisse, mit denen sich das Unglück von Köln mit meinem Leben verwebt.

Das Leben ist kostbar. Schätzen und schützen wir es! Überall!

***

Lies auch meinen Beitrag vom 6.3.: „Ich war noch niemals … im Kölner Stadtarchiv


Das P von Proud – Es geht nicht um HIV, es geht darum, welche Bedeutung Du Deinem Leben gibst

März 7, 2009

Im Poz and Proud – Blog in den Niederlanden läuft eine Serie „de P van Proud“, in der schwule Männer über ihre Gedanken und Erfahrungen mit HIV schreiben. Und wie sie Würde, Selbstbewusstsein und Stolz als schwule Männer mit HIV leben, denn ihr Motto ist zurecht: Ein Leben mit HIV ist kein Grund für Scham und Schuld („living positive isn’t a shame“).

Maartens Beitrag habe ich hier übersetzt. Heute folgt nun mein eigener Beitrag für diese Serie.

on top of my life

Es geht nicht um HIV, es geht darum, welche Bedeutung Du Deinem Leben gibst

Ich bin 1959 geboren und lebe seit 1990 mit dem Wissen um meine HIV-Infektion.

Damals, 1990, gab es keine Medikamente, HIV im Körper zu bändigen. Man hätte verzweifeln können. HIV hatte etwas dämonisches, war auch wegen der sozialen Ausgrenzung das Furchtbarste, was einem passieren konnte.

Aber schon früher, seit Anfang der 80er Jahre, hatte HIV begonnen, mein Leben einzuschränken, mir die Lust auf schwul-sein, die Lust auf Sex verdorben. Die Welt erschien mir wie eine gefährliche unheimliche Geisterbahn. Sexualität war in meinem Elternhaus tabuisiert. Sexuell zu sein war etwas, das man nicht zeigte und worüber man nicht sprach. Noch schlimmer: christliche Moral diffamierte Freiheit und Lust.

Für mich persönlich kein förderliches Klima, um Lust an der Lust und Sicherheit in der Freiheit zu lernen. Mein self-made Weg in die Freiheit ging nur in kleinen Schritten voran. HIV war schneller.

Auf der Geisterbahn des Lebens zählte HIV für mich zu den bedrohlichen Mächten. Meine HIV-Diagnose erlebte ich als Drachenkampf und Erwachen. Sie war wie ein Erdbeben, das eine Großstadt in Schutt legt: alles kaputt, kein Haus mehr heil, nur noch Schutt, keine Straßen gab es mehr – nur noch ein großes Trümmerfeld. Und mittendrin „Ich“.

Drachenkampf

Ich registrierte, dass ich überlebt hatte, dass ich in dieser Katastrophe am Leben war. Den Schock dieser Situation habe ich damals nicht wahrgenommen. Ich begann einfach das naheliegende zu tun: Wer ist noch da? Wo bin ich hier? Wie kann es jetzt weitergehen? Was kann ich jetzt tun?

Und da begann mein eigener Geist ganz befreit die Regie zu übernehmen. Das war seine Stunde, war meine Stunde: Er flüsterte mir behutsam und kraftvoll zu: Solange du lebst, geht es weiter auf Deiner Fahrt! Du schaffst es! Du findest Kumpel, Weggefährten und Freunde! Dein Ziel ist es, immer weiterzugehen! Es gibt keinen Grund, vor dem Leben Angst zu haben. Sag dies weiter! Sei unerschrocken, sei wachsam! Du schaffst es!

Ja, und ich habe es geschafft! Ich habe diese 19 Jahre geschafft, in denen HIV mir und anderen im Nacken saß, in der HIV einen nach dem anderen aus unserer Herde mutiger Mustangs abgeschossen hat. Wie ich dies überlebt habe, bis HIV seine Macht verlor, warum und wie ich dies überlebt habe, – ich weiss es nicht. Glück und Geschick vielleicht?

Ich habe sehr vieles von dem erlebt, was das Leben zu bieten hat: Angst, Schrecken, Krankheit, den Tod von Freunden, den Tod von meinem besten Freund René. HIV hatte nicht die Macht, unseren Zusammenhalt und Mut, unsere Solidarität und Kameradschaft zu brechen. Wir waren stärker und wir wissen das heute. Das ist mein Stolz im Leben mit HIV, mein „P von PROUD“.

Wer das eigene Denken aufgibt, mit dem ist es aus. Wer sich nicht traut, mit dem ist es aus. Wer die Kraft in sich nicht erweckt, mit dem ist es aus.

Es gibt viele in dieser Welt, die an Deine Tür klopfen und Dir verkaufen wollen, „was HIV ist“. Schick sie alle weg!! HIV ist das, was DU daraus machst! HIV bekommt DIE Bedeutung die Du diesem Virus und dieser Krankheit gibst.

Und es geht nicht darum, welche Bedeutung Du HIV gibst, es geht darum, welche Bedeutung Du Deinem LEBEN gibst.

Es ist DEINE Macht, dies selber herauszufinden. Dich soll nicht interessieren, was andere denken und was andere sagen. Nur Du kannst den Weg zu Deiner Stärke finden. Wer Dich darin unterstützt, ist ein weiser und würdiger Freund, wer Dir etwas einreden will, so gut es auch gemeint ist, der betrügt Dich.

Das Leben ist eben keine Fahrt in der Geisterbahn. Das Leben ist schön und Dein Leben ist nicht vorbei, auch und gerade mit einer HIV-Diagnose nicht. Im Gegenteil: Dein Leben hat sehr viel Geduld, mehr als Du selber – und es wartet auf Dich! Freu Dich! Du bist stark und schwuler Sex ist schön!

(Die Erstveröffentlichung in niederländischer Sprache findet sich hier.)


POZ and Proud: LIVING POSITIVE ISN’T A SHAME

November 13, 2008

Schwule Männer mit HIV in den Niederlanden haben im April 2006 eine Selbsthilfe-Kampagne gestartet, um die Lebensqualität von schwulen HIV-Positiven in der Szene zu verbessern, um Mut zu machen, offen mit HIV umzugehen.

Der Name „POZ and Proud“ ist Programm. HIV-positiv und dabei selbstbewusst offensiv zu sein, sich nicht zu verstecken, über HIV reden, wenn es angebracht ist. Auf den T-Shirts der Mitglieder und Freunde von POZ&Proud steht folglich auch: LIVING POSITIVE ISN’T A SHAME – Positiv leben ist keine Schande.

Die Männer von POZ&Proud haben Standpunkte erarbeitet, die ich später einmal ins Deutsche übersetzen will.

POZ&Proud betreibt seit kurzem einen eigenen Blog (natuurlijk op nederlands). In diesem Blog läuft eine Serie, in der einige Männer von POZ&Proud schreiben, was ihnen zu dem „P“ von „Proud“ einfällt. Mein Freund Maarten hat auch etwas dazu geschrieben. Seinen Blog habe ich hier übersetzt:

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Das P von Proud

Wir haben HIV und sind stolz. Wir können prima für uns selber sorgen. Und das tun wir dann auch. Aber wenn du gerade erfahren hast, dass du HIV hast, ist Stolz wohl das letzte, an was du denkst.

Aber, wenn du schon einiges erlebt hast, kannst du Kraft finden in dem Weg, den du zurückgelegt hast. Maarten erklärt warum:

Es begann im Dezember 2004. So müde wie ein Hund, Fieber und viele andere Leiden. Der Arzt dachte an Pfeiffersches Drüsenfieber, aber ließ doch einen HIV-Test machen, denn der letzte war schon wieder ein Jahr her. Und ja, es gab Ausrutscher.

Meine erste Reaktion auf die Diagnose ist nicht viel anders gewesen als die von jedem anderen: Was für Krankheiten stehen mir bevor? Werden die Pillen gut wirken? Wann muss ich sterben? Abende hab ich im Internet gesurft, aber davon kam ich nur immer schlechter drauf. Kein Arzt gibt dir eine Lebensgarantie und andere schrieben dort nur über ihre Probleme. Da hab ich lieber mit Freunden telefoniert, die auch HIV hatten; das half. Verrückt eigentlich, dass ich HIV bis dahin so verdrängt hatte, obwohl ich es bei vielen um mich herum miterlebt hatte.

Die akute HIV-Infektion bei mir ging vorbei und ich war wieder voller Zuversicht, dass es wohl noch was dauern sollte, bis mir HIV wirklich Probleme machen würde. Ja denkste, denn während die CD4’s wie verrückt kletterten, kriegte ich eine Gürtelrose und schluckte schon Anfang 2006 meine ersten HIV-Pillen.

Im Dezember 2005 konnte ich nicht wirklich stolz sein mit HIV. Ich war schon stolz wenn ich nicht schon um 9 Uhr abends im Bett lag. Der Stolz kam dann aber mit der Energie, die ich im Februar 2006 wieder hatte. Ich konnte wieder alles und machte auch wieder alles. Inzwischen wusste beinahe jeder in meiner Umgebung, dass ich HIV habe. Da kriegte ich unterschiedliche Reaktionen, von: „Ja du mit deinem Partyleben, das musste ja dabei raus kommen“ bis „Alle Achtung, wie du damit umgehst, du scheinst da wirklich kein Problem mit zu haben.“ Alles sind gute Reaktionen, wenn ich immer bedenke, von wem diese Antworten kommen. Ich habe kaum wirklich schlechte Reaktionen erlebt. Mit HIV auf eine gute Art offen umzugehen, so dass man Verständnis erhält, aber kein Mitleid, das ist ein Teil von meinem Stolz.

Manchmal muss man sich schützen mit Arroganz, natürlich nicht direkt gegenüber Menschen, aber zum Beispiel im folgenden Fall…

„Willkommen in den Vereinigten Staaten“ steht auf dem grünen Einreiseformular, dass man ausfüllen muss um in die USA einzureisen. Echt willkommen fühl ich mich da aber nicht mehr. Denn da muss ich immer lügen bei der ersten Frage auf der Rückseite. Ich hab das so schon zehn Mal gemacht. Dann denk ich immer: Aber wenn sie meine Pillen finden, und sie wollen MICH nicht mehr, dann will auch ich SIE nicht mehr. Basta!

Das ist auch mein Stolz. Ich will nicht anders behandelt werden wie jeder.

Zum Schluss: Um Dinge, die man nicht verändern kann, soll man nicht trauern. Dreh’s einfach um. Ein Regenschauer ist nicht schön, aber gut für die Pflanzen im Garten, und so ist er dann auch gut für dich. Das macht etwas deutlich, wie ich, genau wie mit vielen anderen Dingen im Leben, auch mit HIV umgehen will.

Was bedeutet „poz and proud“zu sein für dich? Schick deine story von maximal 600 Wörter an pozandproud@hivnet.org und wir stellen sie im Blog [von POZ&Proud] ein.

Danke an Maarten für das OK, Text und Foto in meinem Blog hier zu posten. Wer Interesse hat, auch seine Gedanken zum „P von Proud“ mitzuteilen, kann dies natürlich gerne an die Freunde von POZ&Proud schicken. Vielleicht werden sie es übersetzen und in ihrem Blog posten. Parallel biete ich an, eure Storys hier in meinem Blog einzustellen. Schreibt dazu an termabox@web.de Kommentare bleiben auf diese Weise besser auf den jeweiligen Text bezogen und so vermeiden wir ein Durcheinander.

Mir persönlich imponiert die Idee der POZ&Proud-Kampagne sehr! Denn es scheint eine Tendenz zu geben, HIV unsichtbar werden zu lassen, gerade in der schwulen Szene wieder versteckter mit HIV zu leben, vielleicht auch um bei der Arbeit keine Probleme zu bekommen.

Sich zu verstecken, ob als schwuler Mann oder Mann mit HIV, kratzt immer am Selbstwertgefühl.

Stolz meint immer: sich zu zeigen.

In den Anfängen der Schwulenbewegung gab es den „gay pride“, wo das gesellschaftlich ins Abseits gedrängte, als minderwertig abgewertete „schwul-sein“ sich von Scham, Schuldkomplexen und Zuschreibungen der anderen emanzipierte und in die Öffentlichkeit drängte. „POZ&Proud“ knüpft für mich an diesen alten Emanzipationsgeist an. Das begeistert mich so an POZ&Proud und da bin ich gerne mit dabei!

Mit HIV zu leben, ist keine Schande, wegen der man sich verstecken muss. In Köln sieht man mich auch manchmal mit dem blauen T-Shirt von POZ&Proud oder den weiss-orangenen von POSITHIVHANDELN herumlaufen. Ich werde wohl nun auch selber meine story zu dem „P“ vom Proud schreiben müssen,… maar dan op nederlands natuurlijk!